Jorge Maria Bergolio
Bis anhin war es fast ein Ding der Unmöglichkeit, dem Papst während eines Interviews spontane Fragen zu stellen und diesem persönliche Dinge und Sichtweisen zu entlocken. Die bisherigen Kirchenoberhäupter hielten sich peinlichst genau an einen Ablauf, welcher neben den längst bekannten Fragen auch ein bereits in schriftlicher Form abgefasstes Antwortenblatt bereithielt.
Antonio Spadaro, Chefredaktor der italienischen Zeitschrift „La Civiltà Cattolica“, gelang das Kunststück, Papst Franziskus mehrere Male zu treffen. Dabei entstanden sehr persönliche Gespräche, in welchen der Papst auch spontane Antworten gab. Mit grosser Aufmerksamkeit habe ich das daraus entstandene Interview gelesen, welches auf Deutsch übersetzt und in den Münchner „Stimmen der Zeit“ abgedruckt wurde. Dabei zeigte sich Papst Franziskus auf die Frage wer Jorge Maria Bergolio (bürgerlicher Name des Papstes) sei, sehr offen und ehrlich. „Ich weiss nicht, welche Definition am zutreffendsten sein könnte. Ich bin ein Sünder. Das ist die richtige Definition. Und es ist keine Redensart, keine literarisches Genus. Ich bin ein Sünder.“ Mit dieser Aussage stellt er sich auf die gleiche Stufe wie seine Mitmenschen, was ihn sehr sympathisch macht. Des Weiteren findet er keine schlechten Worte über homosexuelle Personen, welche heute leider noch immer von der Kirche wegen ihrer sexuellen Ausrichtung verurteilt werden. „… wenn eine homosexuelle Person guten Willen hat und Gott sucht, dann bin ich keiner, der sie verurteilt. Es darf keine spirituelle Einmischung in das persönliche Leben geben.“ Auch hier zeigt er eine Offenheit gegenüber gläubigen Homosexuellen, welche ich bisher nie so wahrgenommen habe. Auch beschreibt Papst Franziskus die Kirche als Haus für alle und nicht als kleine Kapelle, welche nur ein Grüppchen ausgewählter Personen aufnimmt. Auch betreffend der Stellung der Frauen in der Kirche, hat er eine eindeutig modernere Auffassung als seine Vorgänger. „Die Kirche kann nicht sie selbst sein ohne Frauen und deren Rolle. Die Frau ist für die Kirche unabdingbar. Maria – eine Frau – ist wichtiger als die Bischöfe. Der weibliche Genius ist nötig an den Stellen, wo wichtige Entscheidungen getroffen werden.“
Diese Aussagen des Kirchenoberhauptes tun der Kirche des 21.Jahrhunderts gut und helfen hoffentlich mit, eine längst überfällige Öffnung voranzutreiben und gewisse Reformen anzugehen. Ansonsten droht der Kirche zu einem exklusiven Club zu verkommen, welchem langsam aber sicher die Mitglieder davonlaufen oder wegsterben!